Design- und Architekturthemen in einer Radioshow oder einem Podcast – das ist mir immer als die Quadratur des Kreises vorgekommen. Nun, Irrtum, Roman Mars mit seinem Format „99 percent invisible“ kann eckige Kreise. Und zwar verdammt gut. Eine der Episoden hat er in einem TED-Talk live aufgeführt. Bevor ihr weiterlest: Angucken! Mich hat nämlich nicht nur das Format, sondern auch das Thema gepackt.

tl;dw? – Hier die Kurzform:
The worst-designed thing you’ve never noticed“ ist möglicherweise die Flagge Deiner Heimatstadt. Die meisten Städte haben eigene Flaggen. Viele sehen einfach nur schrecklich aus. Eine gut gestaltete Flagge hingegen ist in der Stadt allgegenwärtig. Sie ist Ausdruck von Bürgerstolz  und Zusammenhalt. 

Als ich das Video das erste Mal gesehen habe, war ich in Hamburg. Dort ist das so: Die weiße Burg auf rotem Grund ist überall. Als Flagge an Gebäuden und Schiffen; auf der Kleidung der konservativen hanseatischen Pfeffersäcke genauso wie bei den coolen Sachen von Derbe. Geht aber noch besser. „The most badass city flag“ hat laut Roman Mars Amsterdam:

Flag of Amsterdam.svg

Warum das so ist? Hier noch mal die „five basic principles of flag design“ aus dem Video:

1. Keep it Simple: A flag should be so simple that a child can draw it from memory.
2. Use Meaningful Symbolism
3. Use Two to Three Basic Colours
4. No Lettering or Seals (because you can’t read that from a distance)
5. Be Distinctive (or Be Related)

Okay, Roman Mars im Video schaut auf seine Heimatstadt San Francisco, ich hab mich danach gefragt, wie eigentlich die Flagge von Essen aussieht. Ganz so schlimm ist es zum Glück nicht:

Flagge Essen

Die Essener Stadtflagge ist immerhin besser als die ganzen SOBs (seals on a bad sheet), über die im Video so herzlich gelacht wird. Mal abgesehen davon, dass Heraldiker bei dem Wappen Migräne bekommen, wie die Wikipedia berichtet. Heraldisch richtig müssten wohl die beiden Schilder zusammengezogen werden, und obendrauf gehört bei einer Stadt eine Burgmauer, keine Krone. So eine Version findet sich übrigens auf dem Handelshof, rechts und links neben dem Schriftzug „Essen die Einkaufsstadt“. Die Stadt selbst findet ihr Wappen „weltweit einmalig“ – Regel 5 „be distinctive“ der „five basic principles of flag design“ immerhin erfüllt. Aber das Ding ist einfach mega kompliziert. Regel 1 – wer soll das aus dem Gedächtnis nachzeichnen?

„In every bad flag there’s a good flag that wants to come out“
Schauen wir doch mal, was wir haben:

Den Reichsadler aus dem Wappen verwenden ganz viele andere Städte auch. Dortmund beispielsweise. Regel 1 Nachzeichnen können? – nahezu unmöglich.

Die Bedeutung des Schwertes dürfte den Essener Bürgern weitgehend unbekannt sein. Es stammt bereits aus dem 14. Jahrhundert und geht auf des Äbtissin des Stifts Essen zurück. Ein Richtschwert wohl immerhin, und damit ein Symbol für Gerechtigkeit. Müsste größer werden, mehr Raum einnehmen und stilisiert werden. Frage mich aber trotzdem, ob ich ein Schwert auf T-Shirts drucken würde?

Vielleicht braucht es ein neues Symbol. Zollverein und die Silhouette des Förderturms sind zu Wahrzeichen der Stadt geworden. Ein bisschen rückwärtsgewandt vielleicht. Dummerweise hütet die Stiftung Zollverein diese Symbolik, wie das IOC die Rio-Hashtags. Eine Copyright-reglementierte Stadtflagge – das will nun wirklich niemand.

Farben: Gelb und Blau sind die Stadtfarben und die Flagge gibt es auch in einer Variante ohne das Wappen. Diskussion damit erledigt? Vielleicht. Gelb und Blau, das können höchstens die Schweden in cool. Es sieht einfach schnell billig aus. Gemeinsam mit dem Wappen wie eine vollgeramschte Edeka-Filiale. Ich glaub die Verkehrsbetriebe haben das auch gemerkt. Früher waren die Straßenbahnen Blau-Gelb, heute nur noch in einem etwas dunkleren Gelb mit anthrazitfarben abgesetzten Fensterbändern. Die Stadt selbst hingegen verzichtet auf das Gelb und setzt in Grafikdesigns nur auf blau. Langweilig.

Vielleicht muss eine neue Farbe her. Schwarz für Kohle und das industrielle Erbe beispielsweise. Es gibt noch einen weiteren Kandidaten, der es ruhrgebietsweit in der Architektur zu einem beträchtlichen Symbolwert geschafft hat. Karl-Heinz Petzinka hat die Farbe in der Jahrhunderthalle Bochum genutzt, Rem Koolhaas bei der Kohlenwäsche auf Zollverein, Benthem Crouwel Architekten beim Bergbaumuseum in Bochum. Die Rede ist von Orange. Glühende Kohle, Stahl, Energie – all das steckt in dieser kraftvollen Farbe.

Okay, gelb, blau, orange – geht nicht zusammen, oder? Doch, geht. Ist mir beim Wäsche falten aufgefallen. Und siehe da: Es wird bunt. Essen will Stadt der Kunst, Kultur und Kreativität sein? Hier ist ein erster Vorschlag für ein Banner, unter dem das stattfinden könnte.

Andere Ideen für eine Essener Stadtflagge? – Schreib mir!

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