Letztes Jahr ist die Kreative Klasse sesshaft geworden: Seit Dezember 2013 bespielen wir im Rahmen einer Zwischennutzung in Ladenlokal in der Theaterpassage Essen. Ich muss zugeben: Ich war anfangs skeptisch. Sehr, sehr skeptisch. Zwar ist die Zwischennutzung (auch: temporäre Nutzung) ein bewährtes Instrument der Stadtentwicklung. Aber wer macht so etwas in einer Premium-Shopping-Mall mit angeschlossenem Fachärztezentrum wie der Theaterpassage?

Was soll ich sagen, die Praxis hat gezeigt: Für die Kreative Klasse funktioniert es, ich habe mich geirrt. Die bisherigen Nutzer unseres „klasse:Raum“, hauptsächlich Designer und Künstler, sind zufrieden und freuten sich über neugieriges Publikum. Unsere Veranstaltungen waren gut besucht. Auch die weitere Planung läuft dank „klasse:Raum-Kurator“ Jens Kobler reibungslos. Für die April-Belegung haben Christiane und Lisa vom Essener Stadtmagazin „offguide“ einen kleinen Wettbewerb um die kreativste Nutzungsidee ausgeschrieben. In der Ausgabe 03/2014 gibt es dazu ein kleines Interview, in dem ich zu erklären versuche, was dieses – zugegeben oft komplexe und abstrakte – Kreativ-Dings tut:

 

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Kreative Klasse e.V. ist das branchenübergreifende Netzwerk für Kultur- und Kreativschaffende im Ruhrgebiet. Anlässlich des Wettbewerbs „off-Klasse” trafen wir Vorstandsmitglied Oliver Koschmieder zum Gespräch …

Hallo Oliver, inwiefern ist die Kreative Klasse eine Metaorganisation, die keine Konkurrenz hat, sondern Kräfte bündelt?
Hallo Christiane, es gibt so viele Initiativen, Netzwerke oder Vereine, die alle hervorragende Arbeit leisten. Häufig widmen sie sich ganz speziellen Zielen oder sind sehr lokal aufgestellt. Wir versuchen das weiterzuführen, was auch schon die Kulturhauptstadt als Ziel hatte: das Ruhrgebiet als kulturelle und wirtschaftliche Einheit zu verstehen. Und wenn wir alle zusammenhalten wird vieles einfacher.

Nenn‘ doch mal ein Beispiel!
Wir treffen uns beispielsweise einmal im Monat zum Kreative Klasse Abend bei einem unserer Mitglieder. Manchmal in Büros, manchmal aber auch in Werkstätten oder Ateliers. Mal in Essen, mal in Bochum, Dortmund, Gladbeck usw. Das ist immer wieder überraschend und daraus entsteht immer wieder Neues. Sechs Beispiele haben wir als Kreative Klasse Stories auf unser Homepage zusammengestellt.

Welche Gelegenheiten diesem Anspruch gerecht zu werden bietet der März?
Im Moment fokussieren wir uns stark auf den klasse:Raum. Ab dem 10. März präsentieren dort Akteure aus der Kreativen Klasse einen Querschnitt aktueller Arbeiten. Gleichzeitig wird unter dem Titel „20 Tage – 20 Jahre“ eine Werkschau aus 20 Jahren Kultur- und Kreativwirtschaft ausgestellt. Aktionen, Konzerte und Performances soll es auch geben. Außerdem sind wir diesen Monat zum ersten Mal in der Bochumer Jahrhunderthalle auf der „gut.“ Messe für nachhaltiges Design.

Mittlerweile verbindet „Kreative Klasse“ 100 Firmen – und hat damit auch beim NRW Wirtschaftsministerium Interesse geweckt. Warum wird die Branche immer wichtiger?
Schlüsselbranche, Jobmotor, hohes Innovationspotenzial – die Erwartungen in die Kreativwirtschaft sind hoch. Die Macher in der Kreativwirtschaft sind hochmotiviert und schaffen neue, oft unkonventionelle Ideen, die sich auf andere Bereiche der Wirtschaft übertragen lassen. Und sie bringen Lebensqualität in die Städte, in Form von Kultur, Medien oder Architektur. Die Kreativen tun dies aber überwiegend allein oder in Kleinstunternehmen und sind daher für Institutionen wie das Wirtschaftsministerium schwer zu fassen. Also braucht es Netzwerke wie die Kreative Klasse als Ansprechpartner.

Ihr seid die, die mit Kreativität Geld verdienen wollen. Welche Philosophie verfolgt die Kreative Klasse dabei?
Unsere Mitglieder bestreiten ihren Lebensunterhalt mit Kreativität. Das professionelle Umfeld ist uns wichtig. Grundsätzlich sind wir für alle Kreativen aus dem Ruhrgebiet offen. Ob Architekt, Designer, Fotograf, Maler – das lässt sich schon aus dem Grundgedanken der Kreativität gar nicht einschränken. Auch andere Firmen, z. B. Immobilienverwalter, die gezielt Kreativunternehmen ansiedeln wollen, sind uns willkommen.

Der Schauspieler und Ökonom Christoph Backes sagt, die Kreativen bekommen die Grätsche zwischen „kreativ sein“ und „sich verkaufen müssen“ nicht hin. Wie kann man daran arbeiten und etwas verändern?
Ein kreatives Produkt oder eine kreative Dienstleistung verkaufen zu wollen heißt ja auch, die eigene Gedankenwelt zu verlassen und sich der Realität zu stellen. Oder wie man so schön sagt: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Treffe ich bei meinem Publikum oder potenziellen Kunden auf Unverständnis, muss ich entscheiden: Bleibe ich hartnäckig weil ich von meiner Idee überzeugt bin? – und sterbe womöglich in Schönheit? Oder weiß ich die Kritik konstruktiv für meine Ziele zu nutzen? – Dieses Geschick muss jeder für sich entwickeln. Aus dem Feedback der bisherigen Nutzer wissen wir, dass unser klasse:Raum für diesen Realitätsabgleich gute Voraussetzungen in einem geschützten Bereich bietet.

Ihr seid als Verein eine Art der Wirtschaftsförderung – wie geht das?
Vor allem indem wir Öffentlichkeit schaffen, versuchen wir die Kreativwirtschaft an der Ruhr voranzubringen. Beispielsweise durch die „extraklasse!“, unserer jährliches Festival der Kreativwirtschaft, dass eine Menge Publikum für Kunst, Kultur und Design anzieht. Eine große Aufgabe ist es noch, mehr Unternehmen aus der Region auf uns aufmerksam zu machen.

 

Vielen Dank für das Interview!

Interview: Christiane Mihoci
Weitere Infos: www.kreativeklasse.org
Bewerbung off-Klasse mit Portfolio unter: [email protected]

 

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