In dem schon einmal die wichtigsten Fragen zum Thema Carsharing geklärt werden. Los geht’s:

Muss ich mein privates Auto mit anderen teilen?
Kommt darauf an. Es gibt privates Carsharing, bei dem Menschen ihren eigenen PKW mit anderen teilen. Hab ich noch nie ausprobiert, bin ich zu misanthropisch für.

Ich nutze lieber stationsgebundene Systeme kommerzieller Anbieter. Funktioniert dank Internet und Smartphones hervorragend und weitgehend automatisch. In Essen sind mittlerweile vier Anbieter unterwegs: Flinkster, Greenwheels, Stadtmobil und Drive Carsharing, die die Flotte von Ruhrauto-e betreiben. Bei all diesen Systemen muss das Auto auf den reservierten Parkplatz zurück, von dem man es abgeholt hat. Während sich Flinkster als Tochter der Deutschen Bahn auf Stationen an Hauptbahnhöfen konzentriert, haben Greenwheels, Stadtmobil und Ruhrauto-e ihre Autos dezentral im Stadtgebiet verteilt. Es heißt, dass ein Carsharing-Auto durch die optimale Nutzung acht bis 15 private PKW ersetzen kann. Macht bei derzeit über 50 Fahrzeugen in Essen locker 400 freie Parkplätze. Abreißen und Bäume drauf pflanzen, würde ich sagen.

Einen Schritt weiter gehen Free-Floating-Systeme. Hier kann man die Autos im definierten Geschäftsgebiet einfach auf einen beliebigen (legalen!) Parkplatz abstellen. Der nächste Nutzer findet das Auto dank Karten-App und GPS-Ortung. Gibt es bisher nur in den richtig großen Metropolen wie Berlin oder Hamburg.

Wann nimmt man denn so ein Carsharing-Auto?
Ich buche immer dann, wenn ich kurz ein Auto brauche. Also nicht für den Urlaub, sondern als Ersatz für ausgefallene Regionalbahnen, für den Transport von unhandlichen Dingen oder für Wege, die sich partout nicht sinnvoll mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad machen lassen. Mindestens die Hälfte aller meiner Fahrten ist aber reine Faulheit und ließe sich bestimmt ohne Auto erledigen, wenn man denn wollte. Manchmal spielt bei mir, zugegebenermaßen, auch die Freude am Experimentieren mit den Carsharing-Modellen eine Rolle. Das wird hoffentlich mit der Zeit nachlassen. Apropos, in Rüttenscheid gibt es neuerdings Stadtteilmobile, da muss ich doch gleich mal …

Bei Dir in Essen mag das ja gehen …
Stimmt, das ist der Haken. Schon in kleineren Großstädten wie Koblenz wird die Carsharing-Luft schnell dünn. In ländlichen Gebieten geht noch gar nichts. Will ich dorthin, hilft was die Verkehrsplaner „vernetzte Mobilität“ nennen: Mit der Bahn bis zu einem geeigneten Hauptbahnhof fahren und von dort mit einem Carsharing-Auto weiter. Das klappte bisher immer gut, ist entspannter als eine quälend lange Autobahnfahrt und dank ICE häufig sogar schneller.

Was für Autos sind das denn?
Was immer Du haben willst. Vom Kleinstwagen bis zum Minivan. Bisher waren alle vernünftig ausgestattet, gut gepflegt und technisch einwandfrei. In der Regel ist Eigenwerbung des Anbieters aufgeklebt. Navi und Winterreifen sind nahezu selbstverständlich. Kindersitz ist bei vielen auch zu bekommen. Meine persönlichen Favoriten sind die Elektrofahrzeuge von Ruhrauto-e: ein Smart electric drive oder ein Opel Ampera, die beide praktischerweise am Rüttenscheider Stern stehen. Aber das wird mal einen eigenen Blogpost wert sein.

Und wie komme ich jetzt an ein Auto?
Gebucht wird über das Internet oder über eine App. Ausleihzeiten müssen vorab festgelegt werden, können aber eigentlich immer verlängert werden. Die Autos lassen sich mit einer speziellen Scheckkarte über einen Kartenleser an der Windschutzscheibe öffnen. Anschließend nimmt man den Zündschlüssel aus einem Bordcomputer im Handschuhfach und kann ganz normal starten. Bei Rückgabe umgekehrt.

Was kostet der Spaß?
Die Preise setzen sich in der Regel aus zwei Bestandteilen zusammen: Zunächst ein Stundenpreis, der sich nach der Größe des Autos richtet. Kleinwagen sind beispielsweise bei Flinkster für 2,30 €/Stunde zu bekommen. Am anderen Ende der Preisliste gäbe es den dicken Benz für 7,00 €/Stunde. Dazwischen ist einiges möglich: Rabatte zu Nachtzeiten, Inklusivkilometer, günstigere ÖPNV- und Vielfahrer-Tarife oder Sonderpreise für Autos mit großflächigem Werbeaufdruck. Was der Marketing-Maschinerie halt so einfällt. Zum Stundenpreis kommt ein Kilometerpreis von rund 0,20 €/km. Das ist gar nicht so teuer, wenn man bedenkt, dass die Treibstoffkosten darin enthalten sind.

Zugegeben ist die Preisgestaltung eher diffus und schwer zu vergleichen. Immerhin: Viele Anbieter haben einen Tarifrechner im Netz, mit dem sich die Fahrt vorher kalkulieren lässt. Da einige miteinander kooperieren und ihre Flotte für andere Anbieter freigeben, kann es durchaus vorkommen, dass man dasselbe Fahrzeug (also nicht nur das gleiche Modell, sondern tatsächlich das mit demselben Nummernschild) zu unterschiedlichen Tarifen bekommt. Für mich persönlich hat sich Flinkster als die kostengünstigste Variante erwiesen. Wobei, ne, warte mal, der Ampera ist über Drive billiger. Ach, rechnet es euch doch selbst aus.

Ist das nicht arg teuer?
Wir reden weiter, wenn Du mir sinnvoll dargelegt hast, warum Du 35.000 € für einen kleinen Volkswagen auf den Tisch geblättert hast. Aber mal sachlich: Der ADAC geht davon aus, dass sich ein eigenes Auto erst ab einer Fahrleistung von ca. 7.000-8.000 km/Jahr lohnt, die Stiftung Warentest spricht sogar von 10.000 km. Da komme ich, der ich mich für den täglichen Bedarf kaum aus meinem Viertel rausbewegen muss, längst nicht hin. Außerdem muss ich mich um nichts kümmern. Keine Inspektionen, kein Reifenwechsel. Gegen einen leeren Tank hilft die Tankkarte aus dem Bordcomputer. Ist etwas kaputt, rufe ich die Service-Zentrale an und die regeln das.

Und wenn etwas passiert?
Vollkasko mit 1.000 € Selbstbeteiligung scheint üblich zu sein. Lässt sich meist gegen geringen Aufpreis reduzieren. Wenn man nicht gerade mit dem Außenspiegel in der Hand zurückkommt, reagieren die Anbieter ohnehin kulant. Vor der Fahrt lohnt es sich, einen Blick in die Schadensliste zu werfen und zu schauen ob es neue Macken gibt. Das nimmt manchmal absurde Formen an. Es gibt Nutzer, die melden der Carsharing-Zentrale Kratzer im gefühlten Mikrometerbereich. Da ist es wieder, das gestörte Verhältnis der Deutschen zu ihren Autos …

Jetzt mal ehrlich, alles so einfach?
Ja. Große Probleme beim Buchen oder Fahren hatte ich noch nie. Besonders Flinkster, das Angebot der Bahn ist extrem benutzerfreundlich, unkompliziert und kulant – echt jetzt, die Deutsche Bahn AG, man glaubt es kaum. Aber irgendwelche Kleinigkeiten passieren natürlich immer wieder. Mein persönlicher Klassiker: Die Schranke vom Parkhaus lässt mich nicht raus, weil der Vormieter ein Ticket gezogen hat, statt die Dauerparkkarte zu benutzen. Keine Ahnung, womit ich meine Nachmieter auf die Palme bringe. Richtig ärgerlich war nur Hotline von G**********, die mich regelmäßig mit 20 Minuten Wartemusik und mehr beglückt hat. Das kommt super, wenn dabei die Uhr tickt.

Tl;dr?
Wer lieber gucken statt lesen möchte, dem empfehle ich die n-tv-Reportage „Massenphänomen Carsharing“, für die ich mit einem Renault Twizy hollywoodmäßig durch Essen gedüst bin, bis der Akku wie eine Zitrone ausgequetscht war. Ein großer Spaß.

 

Kommentare

[…] Mit einem ruckelnden Motor meines alten Peugeots. Wahrscheinlich nichts schlimmes, aber es bedeutete die Trennung von dem treuen Begleiter. Nach 11 Jahren und 155.000 km war Schluss. Das Auto, für mich als Jugendlicher im ländlichen Westerwald Inbegriff von Freiheit, war im Ruhrgebiet zum Klotz am Bein geworden. Staus, Parkplatzprobleme und zunehmende Reparaturen. Nüchtern betrachtet viel zu teuer. Über Umweltverschmutzung und die negativen Auswirkungen des Individualverkehrs auf unsere Städte wollen wir mal gar nicht reden. Neues Auto? Wozu, zur Arbeit gehe ich mittlerweile ohnehin zu Fuß. Aber so ganz ohne Auto? Würde das gehen? Ich weiß es bis heute nicht. Denn ich bin zwar vor zweieinhalb Jahren weitgehend auf Fahrrad, Bus und Bahn umgestiegen, aber manchmal soll es dann doch ein Auto sein. Das miete ich bei Bedarf über einen der kommerziellen Carsharing-Anbieter, die in Essen Stationen eingerichtet haben. Es klappt sogar besser, als ich es anfangs erwartet hätte. Aber davon später mehr… […]

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